Wie du als Einsteiger*in an der Börse mitmischst

Du drückst dich schon seit Jahren darum, dich um deine Finanzen und deinen Vermögensaufbau zu kümmern? Falls ja, bist du damit nicht allein. Auch Nora Wanzke, die beim WDR als Wirtschaftsjournalistin arbeitet, ging es so. Bis sie das Thema nicht länger vor sich herschieben wollte…

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastian Moritz spricht sie in ihrem Podcast ‘Economista’ darüber, wie man auch als Einsteiger*in an der Börse mitmischt. Mich haben sie im Zuge dessen nach typischen Fehlern von Investitionsneulingen gefragt – und wie sie sich vermeiden lassen.

Hier kannst du dir die Podcast-Folge anhören:

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Die 3 Gründe, die Nora Wanzke überzeugten, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen

1. Keine finanzielle Unabhängigkeit ohne Durchblick bei den eigenen Finanzen.

„Das traue ich mir nicht zu.” Aussagen wie diese hört man öfter von Frauen als von Männern. Das wiederum führt dazu, dass generell weniger über den richtigen Umgang mit Geld und die Organisation der eigenen Finanzen gesprochen wird.

Das Problem dabei: Erst wenn wir darüber sprechen, können wir unsere Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. Vielleicht entdecken wir dann, welche Wissenslücken vorhanden sind. Etwas, was sich nicht gut anfühlt, uns aber die Möglichkeit gibt, diese zu schließen.

Womit sich der Kreis schließt. Denn Wissen ist die Grundlage für (finanzielle) Unabhängigkeit.

2. Geld auf dem Konto verliert mit der Zeit an Wert

Ihr kennt die Story. Die Inflation sorgt dafür, dass unser Geld an Kaufkraft verliert. Heute mehr denn je. Im November 2021 lag die Inflationsrate in Deutschland bei unglaublichen 5,2%. Das bedeutet, dass 20.000 € auf deinem Konto in 5 Jahren nur noch 15.313 € wert sind. Ganze 23% weniger.

Außer dem Investieren gibt es kaum eine Möglichkeit, diesem Wertverlust entgegenzuwirken.

3. Beim Investieren gilt die Regel: Je früher, desto besser

Ja, Themen wie Altersarmut und Rente mögen unsexy klingen. Da Geld allerdings Zeit braucht, um sich zu vermehren, ist es extrem hilfreich, so früh wie möglich mit dem Investieren anzufangen. Das liegt vor allem daran, dass auch die Gewinne (auch Renditen genannt) weiter angelegt werden können.

Beispiel: 100 €, die jedes Jahr um 8% wachsen, sind nach 20 Jahren 466,10 €, in 40 Jahren aber nicht das Doppelte (932.20€), sondern ganze 2172 € wert.

Was, wenn ich nicht an der Börse investieren will?

Auch das ist möglich, denn es gibt noch andere Optionen, sein Geld anzulegen.

Das altbekannte Sparbuch

Hier ist dein Geld „sicher” – zumindest vor dir, weil du es nicht ohne Weiteres ausgeben kannst. Vor der Inflation ist es allerdings nicht geschützt. Außerdem gibt es Stand heute kaum Zinsen auf dein gespartes Geld. Im Durchschnitt gibt es etwa 0,1% (November 2021).

Immobilien

Obwohl es immer einfacher wird, Kredite zu bekommen, kostet diese Investition eine größere Summe Geld. Allerdings geht der Kauf einer Immobilie mit einem sogenannten Klumpenrisiko einher. Niemand kann vorhersagen, wie sich der Wert dieser einen speziellen Immobilie in den nächsten 10,20 oder 40 Jahren entwickelt.

Besser ist es, sein Geld breit gestreut anzulegen, um so das Risiko zu minimieren.

Das Experiment

Nora will wissen, was es mit ihr macht, wenn sie den Schritt wagt und ihr Geld trotz fehlendem Wissen an der Börse anlegt. Mit 100 € probiert sie es einfach mal aus. Mit dabei ist ihr Cousin, ausgebildet in einer Bank und im Investment Banking tätig.

Spoiler: Nora legt ihr Geld Anfang 2020 (vor Corona) an & nimmt so die volle Achterbahnfahrt mit.

Tipps & Tricks bevor du loslegst

Noras Cousin rät: Bevor du Geld anlegst solltest du sicherstellen, dass …

  1. die Geldanlage passt und du dich damit wohlfühlst.
  2. du ein Gefühl dafür bekommst, wie man ein Depot eröffnet, wie du etwas kaufst und wie sich die Kurse verändern.

Warum das wichtig ist? Weil sich an der Börse jeden Tag ein anderer Kurs ergibt und es dadurch immer Schwankungen geben wird. Man kann nicht abschätzen, was am Markt passiert und was davon die Kurse schlussendlich beeinflusst und was nicht.

„Ist es nicht super mutig so ganz ohne Vorwissen zu investieren, Natascha?”

Diese Frage stellte mir Sebastian in Bezug auf Noras Experiment.

Meine Antwort: Ohne Vorwissen zu Investieren kann man mutig nennen, in den meisten Fällen würde ich aber davon abraten. Ich selbst habe mir mein Wissen über Aktien, Börse und Vermögensaufbau über viele Monate selbst angeeignet. So lange bis ich mich wirklich bereit dazu fühlte, Geld zu investieren.

Da es sich bei Noras Investment um ein Experiment mit einem überschaubaren Geldeinsatz handelt, passt das aber.

„Geld anlegen – kann das jede*r, oder ist das nur etwas für Menschen mit einem Haufen Kohle?”

Meine Antwort: Die Idee, man müsse reich sein, um sein Geld anzulegen, ist ein Mythos. In Wahrheit ist es genau anders herum. Wenn man reich werden möchte, dann sollte man sich mit dem Thema Geldanlage beschäftigen. Loslegen kann man bereits mit 25 € pro Monat. Über einen längeren Zeitraum hinweg (15+ Jahre) kann man damit einiges erreichen.

Schritt 1: Risikotyp bestimmen

Bevor Nora entscheidet, WIE sie ihre 100 € anlegt, ging es im nächsten Schritt erst einmal um ihren Risikotypen. Schließlich ist eine Geldanlage immer ein Zusammenspiel von Risiko und Chance.

Die Faustregel: Je mehr du mit einer Geldanlage verdienen willst, desto risikoreicher muss diese sein.

Als Selbstständige ist Nora zwar nicht risikoscheu, braucht aber gewisse Rücklagen für Monate, in denen sie nicht so viel verdient. Zu viel Risiko will sie deshalb nicht eingehen.

Meine Antwort: Seinen eigenen Risikotypen zu bestimmen, ist das Wichtigste überhaupt. Es geht nicht darum, so viel wie möglich, so risikoreich wie möglich zu investieren und dann nachts nicht mehr schlafen zu können.

Im Gegenteil. Wir investieren, um Stress zu reduzieren, indem wir uns mit unseren Finanzen auseinandersetzen. Und unser Geld mit einer Strategie, die zu uns und unserer aktuellen Situation passt, zu vermehren.

Wenn du also nur 1000 € auf der hohen Kante hast, solltest du auf gar keinen Fall 1000 € investieren. Denn dann bringt dich der kleinste Vorfall (z.B. eine kaputte Waschmaschine) in die Bredouille.

Um zu bestimmen, welcher Risikotyp du bist, gibt es ein paar zentrale Faktoren, die hier eine Rolle spielen:

  • Wie lange hast du noch Zeit, Vermögensaufbau zu betreiben?
  • Ist das lang genug, um auch eventuelle Krisen auszusitzen?
  • Wie sicher ist dein Einkommen?
  • Wie abhängig sind andere Menschen von dir und deinen Finanzen?
  • Wie stressresistent bist du?

Am Ende ist die Börse eine Psychofalle, in die man nicht tappen will. Deshalb: Hausaufgaben machen & Risikotypen bestimmen. Wenn du magst, machen wir das auch gerne gemeinsam mit dir im Mentoring.

Schritt 2: Produktauswahl

Um ihre 100 € zu investieren, muss sich Nora entscheiden, welche Aktien sie kaufen will.

Aber zunächst zu den Basics:

Eine Aktie kann man sich als sehr kleinen Teil eines Unternehmens vorstellen, den man kauft. Danach „gehört” dir also ein Stück des Unternehmens, du hast ein Stimmrecht & darfst bei der Hauptversammlung für oder gegen gewisse Dinge stimmen.

Wenn dieses Unternehmen gut wirtschaftet und Dividenden ausschüttet, verdienst du am Erfolg dieses Unternehmens mit.

Wie groß (bzw. teuer) das kleinste Stück eines Unternehmens ist, siehst du am Preis einer Aktie. Dieser setzt sich aus Angebot und Nachfrage zusammen – freie Marktwirtschaft par excellence.

In Noras Beispiel könnte sie mit ihren 100 € nur Aktien erwerben, die weniger als das kosten. Es gibt allerdings noch eine Alternative.

ETFs

Du willst, dein Risiko an der Börse minimieren? Dann solltest du darauf achten, dass deine Investments breit gestreut, also diversifiziert, sind. Dafür eignen sich ETFs.

ETFs sind passive Aktienfonds, eine Art Aktienkorb, indem du in mini kleine Anteile von ganz vielen verschiedenen Unternehmen gleichzeitig investierst.

Das Schöne daran ist, dass du so mit relativ wenig Geld sehr breit diversifiziert (aka in z.B. 2000 Unternehmen weltweit) investieren kannst. So fällt es nicht so stark ins Gewicht, wenn eine Firma pleite geht oder eine Branche leidet.

Die Auswahl an ETFs ist allerdings unheimlich groß.

  • Soll es ein branchenspezifischer ETF sein?
  • Wie wichtig ist dir Nachhaltigkeit?
  • Willst du in Industrie- oder Entwicklungsländer investieren?

Alles Faktoren, die wiederum beeinflussen, wie risikoreich deine Investition ist.

Noras Entscheidung fällt auf einen ETF, der den DAX (den deutschen Aktienindex) und damit die 30 größten Unternehmen Deutschlands abbildet.

Meine Meinung dazu: Mir persönlich wären 30 Unternehmen im DAX zu wenig und zu sehr auf Deutschland fokussiert.

Wenn ich die Wahl hätte, 100 € in 30 Unternehmen zu investieren oder 100 € in 2000 zu investieren, würde ich persönlich immer die breitere Variante nehmen.

Schritt 3: Der Kauf

Nachdem sich Nora nun für einen ETF entschieden hat, geht es ans Investieren. Der Akt des Kaufs an sich war, wie sie sagt: „wenig glamourös”. Zwei Klicks bei ihrer Online Bank und schon war ein Depot eröffnet. Ein paar unterschriebene Dokumente & Googlerecherchen zu ETFs später, klickte sie auf „jetzt kaufen“.

Meine Meinung dazu: Das es so einfach geht, ist Fluch und Segen zugleich. Denn das führt oft dazu, dass viele ohne Plan und Strategie „einfach mal machen“ … und damit oft auf die Schnauze fallen.

Die eigentliche Reise beginnt aber nach dem Kauf. Das weiß Nora heute auch. Nachdem sie sich nach dem Kauf erst einmal selbstbewusster fühlte, verwandelte sich dieses gute Gefühl schnell in Unsicherheit, Angst und Enttäuschung…

Die Corona-Krise

Die schlechten Nachrichten Anfang März 2020 häuften sich und die Aktienkurse an der Börse sanken in nur wenigen Wochen dramatisch. Noras ETF, der mittlerweile auf einen Wert von ca. 108 € angestiegen war, sank auf unter 70 €.

Noras Gedanken: “Was, wenn das nicht 100, sondern 10.000 € gewesen wären? Was, wenn das meine Altersvorsorge gewesen wäre?”

Ob man mit sowas rechnen muss, fragt mich Sebastian.

Meine Antwort: Absolut. Man weiß nie genau, wann Krisen kommen, aber es ist sicher, dass sie kommen.

Die Corona-Krise war nach fast 10 Jahren steigender Kurse fast überfällig und jeder Börsenanlegerin muss sich darauf einstellen, dass so etwas alle 7-8 Jahre passieren kann.

Wenn du in solchen Momenten Panik bekommst und Angst hast, deine Miete nicht mehr zahlen zu können, bist du definitiv zu viel Risiko eingegangen. Ich nenne diese Menschen die Zittrigen.

Für alle, die nicht zu viel Risiko eingegangen sind, für alle, die wissen, was sie tun und eine klare Strategie haben, sind Krisen nichts Unerwartetes. Am ehesten sehen diese Menschen, ich nenne sie die Hartgesottenen, eine Krise als etwas Positives, schließlich ist sie eine super Chance, um günstig nachzukaufen.

Wichtig: Investieren ist ein langfristiges Spiel. Man kann eine Krise wunderbar aussitzen, wenn man weiß, dass es langfristig immer nach oben geht (das zeigen historische Daten). Wir sprechen also von einem Investitionshorizont von mind. 15 Jahren.

Nora hat die Situation übrigens ausgesessen und der Wert ihres ETFs lag bereits Ende November 2020 wieder bei einem Wert von ca. 105 €, also 5 € über ihrem Einkaufspreis.

Meine 3 Tipps für Börsenneulinge

Zum Abschluss gibt es noch meine ultimativen Tipps für Börsen-Einsteiger*innen.

Tipp #1 Investiere in nichts, was du nicht verstehst.

Wenn du nicht genau weißt, was ETFs sind, wie diese funktionieren oder warum die Börsenkurse runter und hoch gehen, muss du dir dieses Wissen aneignen. Daran führt kein Weg vorbei. Dafür ist es dann einfach viel zu riskant und – wenn es zum Beispiel um deine Altersvorsorge geht – zu wichtig.

Tipp #2 Finde heraus, welcher Risikotyp du bist.

Steck viel Zeit, Grips und Reflexion in die Analyse deines Risikotyps. Wie viel Risiko willst du eingehen? Am Ende kannst du dich immer noch dafür entscheiden, dass das mit der Börse ist doch nichts für dich ist. Das ist immer noch besser als ohne Plan zu investieren und dann in Panik zu verkaufen.

Es geht also darum, das Risiko zu verstehen, zu akzeptieren und dann auch aushalten zu können, wenn es an der Börse einmal nicht so gut läuft.

Tipp #3 Langfristig & breit investieren

Eine langfristige Investitionsstrategie mit einem gut diversifizierten Portfolio, hilft dabei, dein Risiko zu minimieren. Investieren an der Börse birgt immer ein gewisses Risiko, aber diese Strategie hilft dir dieses einigermaßen zu beherrschen und zu kontrollieren.

Extratipp von Sebastian

„Es lohnt sich bei den ETFs auf die Gebühren und Kosten zu achten. Die können unter Umständen recht teuer sein. Wer mehr dazu wissen möchte – das Magazin Finanztest von der Stiftung Warentest schaut sich regelmäßig an, wie gut die Fonds da abschneiden. Dort gibt es auch noch mehr Infos rund um das Thema Aktien und Geldanlagen.“

Relevante Links:
Podcast ‘Economista’
Unser 8 Wochen Mentoring Programm
Magazin Finanztest