Warum ich mich entschlossen habe, ein Team aufzubauen

Neben Teamaufbau spreche ich mit Lasse und Paul vom Geil Montag Podcast über die unterschiedlichsten Sachen: Über das Unternehmen Madame Moneypenny und darüber, wie ich mein Gehalt mit mir selber verhandelt habe. Ich erzähle außerdem, warum Frauen an meinem Mentoring-Programm teilnehmen sollten und welche Teilnehmerinnen mich wirklich beeindruckt haben. Selbstverständlich haben wir auch über das liebe Geld gesprochen und die Freiheit, die damit verbunden ist. Es geht auch um das Thema Altersarmut, warum Frauen finanziell unabhängig sein sollten und warum sie es vielleicht heute noch nicht sind. Viel Spaß damit!

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Geil Montag: In einem Podcast-Interview mit Philipp Westermeyer beim OMR hast du vor Kurzem gesagt, dass du bald Millionärin sein wirst. Befindest du dich in den Gehaltshöhen von DAX-Vorständen?

Natascha Wegelin: Definitiv nicht. Ich brauche nicht so viel Geld. Der Unterschied zu DAX-Vorständen ist auch, dass ihnen das Unternehmen nicht gehört. Mir gehört es und alles, was in ihm erwirtschaftet wird, könnte ich mir, wenn ich wollte, auszahlen. Aber das brauche und möchte ich nicht. Ich denke langfristiger, das Unternehmen soll schließlich wachsen. Ich würde sagen, ich zahle mir ein recht spartanisches Jahresgehalt aus.

GM: Dax-Vorstände müssen ja auch dahingehend langfristig denken, als dass sie verklagt werden könnten. Es gibt extra Versicherungen für Vorstandschefs von großen Konzernen. Bei VW gab es einen prominenten Fall, wo sich die Frage stellte, wie man die Rechtsbeistände für so einen Milliardenprozess bezahlen kann.

NW: Luxusprobleme (lacht)

GM: Du hast mit keiner konkreten Zahl geantwortet. Ich vermute einfach mal, dass deine Vermögenswerte über die Million gehen. In deinem Fall ist das wahrscheinlich ein Qualitätsmerkmal, denn wenn man 100.000 Menschen zum Thema Finanzen beraten würde, wäre es blöd, wenn man das selbst nicht hinbekommt.

NW: Die Umsätze befinden sich in diesem Bereich. Das kann man sich relativ leicht ausrechnen. Natürlich spielt aber auch die Kostenstruktur eine Rolle. Denn Umsatz ist nicht gleich Gewinn. Es gibt beispielsweise Angestellte und Marketingkosten zu bezahlen. Ich zahle mir gerade 60.000 Euro Jahresgehalt aus. Das reicht mir.

GM: Es heißt, dass ab 75.000 Dollar Jahresgehalt das Glücksempfinden nicht mehr zunimmt. Hast du dich mit deinem Gehalt daran orientiert oder ist das eher aus der Historie entstanden?

NW: Eher Letzteres. Vor 2 Jahren habe ich mir die letzte Gehaltserhöhung gegeben. In dem Moment, wo ich das Geld nicht zum Leben brauche, muss es auch nicht auf meinem Konto schimmeln. Und in dem Moment, in dem ich es mir auszahle, schlägt auch die Steuerkeule ordentlich zu. Es ist vom Staat gewollt, dass das Geld im Unternehmen bleibt und dort weiter investiert wird.

GM: Du gibst auch Tipps für die Gehaltsverhandlungen mit Chef*innen. Das waren dann also die Gesprächsinhalte mit dir selbst für deine Gehaltserhöhung.

NW: Ich habe mich selbst heruntergehandelt (lacht).

GM: Lass uns über deine Mitarbeiter*innen sprechen. Du hast erzählt, dass du lange damit gehadert hast, Personen einzustellen und dass der erste Versuch, ein Team aufzubauen, gescheitert ist. Du hast es dann aber nochmal versucht. Aus wie vielen Personen besteht dein Team jetzt?

NW: Wir sind zu sechst.

GM: Zwei Fragen: Warum hast du diesen zweiten Versuch noch einmal gewagt? Und hast du das steigende Interesse an Aktien und Investitionen während der Corona-Pandemie auch in deinen Umsätzen bemerkt?

NW: Ja, total. Da war ich aber tatsächlich noch alleine. Die Mitarbeiter*innen, die jetzt dabei sind, sind es erst seit November letzten Jahres. Wie haben uns in kurzer Zeit verdreifacht. Wir waren lange Zeit nur zu zweit und sind jetzt bei 6 gelandet. Eventuell werden wir noch 2-3 Mitarbeiter*innen dieses Jahr einstellen.

Den zweiten Versuch startete ich, nachdem ich reflektierte, warum der erste Versuch nicht funktionierte. Im Nachhinein war es relativ offensichtlich: Ich hatte einfach keine Ahnung, wie es geht. Ich habe mich also intensiv mit dem Thema beschäftigt, viel darüber gelesen und mich coachen lassen.

Es war einfach die logische Konsequenz: Wenn ich wachsen möchte und es alleine nicht mehr schaffe, brauche ich Hilfe. Es war eine Art Scheideweg: Soll es so bleiben, wie es jetzt ist, dass ich mich halb tot arbeite, um das Level zu halten oder schraube ich es runter. Gleichzeitig war die Nachfrage aber da und ich wollte meiner Mission nachkommen. Ich war ganz klar das bottleneck und um mit Madame Moneypenny zu wachsen, brauchte ich Unterstützung.

GM: Hast du Teamaufbau mit den typischen Feedbackgesprächen in klassischen Unternehmen verbunden anstatt mit einer Gruppe von Menschen, mit denen es Spaß macht, zusammenzuarbeiten?

NW: Absolut! Weil ich das so noch nicht erlebt hatte. Weder als Angestellte noch bei meinem ersten Versuch ein Team aufzubauen. Vielleicht war es auch einfach mein Selbstbild: Zu sagen, dass ich das nicht kann oder will und dass es mir keinen Spaß macht, weil ich bis dato keine positiven Erfahrungen damit gemacht hatte. Mir war nicht klar, dass der Anfang bei mir selbst liegt: dass ich es zulassen muss. Dass ich ein Team positiv sehe. Genau deshalb baut man ja ein Team auf: Um etwas gemeinsam zu machen, damit sie mir Arbeit abnehmen und weiterdenken. Da war zu sehr auf mich fokussiert, weil ich auch einfach eine lange Zeit alleine gearbeitet habe.

Gewisse Dinge loszulassen und an andere Personen abzugeben, die ich dann steuere, hat mir erstmal Angst gemacht. Da hab ich mich nicht gesehen oder das habe ich mir nicht zugetraut.

GM: Bist du mittlerweile an dem Punkt, an dem dir die neuen Aufgaben und die Aufgabenverteilung im Team Spaß machen?

NW: Ich bin so bei 75-80%. Einige operative Sachen mache ich auch noch selber. Ich merke aber immer mehr, wie befreiend es ist und wie viel mehr Zeit ich dadurch habe, zum Beispiel für Content, weiteren Teamaufbau, Prozesse und Strukturen.

Ich beschäftige mich jetzt mit Themen wie:

– Wie soll die Unternehmenskultur sein

– Wie sollen Feedbackprozesse aussehen

– Wie wollen wir führen

Wenn mein Team nicht die operativen Aufgaben übernehmen würde, könnte ich mich damit gar nicht beschäftigen. Außerdem habe immer mehr AHA-Momente, weil ich einfach sehr gute Mitarbeiter*innen habe, die Ideen haben, auf die ich nicht gekommen wäre. Es findet also ein Wandel statt von „Ich kann alles alleine“ hinzu „Gut, dass ich hier schlaue Leute habe, denn die machen es besser als ich“. Daran wachse ich auch sehr. Das Delegieren war für mich eine große Herausforderung.

GM: Bist du ein Fan von New Work geworden?

NW: Ich beschäftige mich auf jeden Fall stark mit dem Thema Weiterentwicklung. In der Organisation kommuniziere ich immer: Ich weiß es auch nicht. Das gemeinsam mit dem Team aufzubauen, ist echt schön. Sie bringen sich mit vielen Ideen ein. Es ist auch für mich ein neues Themenfeld und macht mir super Spaß.

GM: Im Kern steht New Work ja auch dafür, das zu machen, was man will und es so zu machen, wie man es will. Zu merken, dass man sich Arbeit gestalten kann, wie es uns am meisten Spaß macht. Wann hast du gemerkt, dass Madame Moneypenny nicht nur ein Job ist, sondern eine Mission?

NW: Eine Mission war es von Anfang an. Wir müssen so viele Frauen wie möglich erreichen, weil das Thema so wichtig ist. Da bin ich geistig, körperlich und intellektuell dann an meine eigenen Grenzen gestoßen. Irgendwann stand ich dann vor der Entscheidung: Dient diese Unternehmung dazu, mir meinen Lebensunterhalt zu finanzieren zB durch den Verkauf von E-Books oder geht es um die Mission, Frauen für das Thema zu sensibilisieren und ihnen richtig effektiv weiterzuhelfen. Dann war relativ schnell klar, dass es nur diesen Weg geben kann. Natürlich war ich damals schon froh, als ich gesehen habe, dass ich von dem E-Book leben könnte. An dem Punkt hätte ich auch aufhören können. Aber da war zum Einen die Nachfrage des Marktes, aber auch innerlich habe ich mir gedacht: Attacke.

GM: Du hast bei Google und Parship gearbeitet und hast danach WG-Suche gegründet. Du hast selbst viel Geld für ein Finanzprodukt bei einer Anlageberaterin verloren. Eigentlich finde ich diese Scratch your own itch- Geschichten, die heute gefühlt jeder hat, ziemlich nervig. Was ich an deiner Story authentisch fand, war, dass du so ehrlich warst, zu sagen, dass es sich um eine Anlageberaterin handelte und es nicht als typische Männerdomäne dargestellt hast. Das ist grob deine Story, richtig?

NW: Genau!

GM: Du hast dann selbst viel recherchiert, dir angeeignet und angefangen einen Blog zu schreiben. Lag dein Fokus von Anfang an auf Frauen?

NW: Ja. Auch aus der eigenen Perspektive. So ein Finanz-Blog braucht schließlich auch eine Daseinsberechtigung. Unter den Finanzbloggerinnen war ich sicherlich eine der ersten. Männliche Finanzblogger, die Tipps von Männern für Männer gaben, gab es dagegen bereits etliche. Bei diesen fühlte ich mich nie richtig abgeholt. Als ich einmal in einer männerdominierten Gruppe eine Frage zum Thema Aktien stellte und teilweise echt eklige Antworten bekam, fragte ich mich, ob es nicht leichter wäre, wenn wir Frauen unter uns wären und keine Angst haben müssten, Fragen zu stellen.

Für mich war relativ schnell klar, dass ein geschützter Raum Sinn macht und ein Blog, der sich von den bereits bestehenden differenziert. Ich gründete auch die Facebook-Gruppe, die ausschließlich für Frauen ist.

GM: Und die ist ja auch von Anfang an wesentlicher Teil deiner Strategie gewesen, oder? Auch mit der Idee, dass sich die Frauen untereinander helfen und austauschen können?

NW: Es ging ja nicht darum zu sagen, ich bin die Göttin und weiß, wie alles geht. Auch ich hatte gerade erst mit dem Thema angefangen und wollte im Blog meine eigene Reise beschreiben.

GM: Das ist ja auch sehr authentisch und unterscheidet dich wahrscheinlich von einem Mann. Der würde – auch wenn er keine Ahnung hat – einfach so tun als ob. Männliche Finanzblogger treten oft offensiver auf, es geht viel um spekulative Einzelwerte. Das ist eine andere Sprache, die da gesprochen wird.

NW: Vielleicht ist die Zielsetzung auch eine andere. Bei mir geht es darum, Frauen dahin zu bringen, dass sie selbst Entscheidungen treffen können. Dabei ist es egal, in welche Aktien oder ETFs sie investieren. Mir geht es darum, Frauen auf ihrem Weg zu begleiten und ihnen die verschiedenen Möglichkeiten aufzuzeigen. Es geht also eher darum, das Problem an der Wurzel zu packen und sie dazu bringen, dass sie das Thema selbst in die Hand nehmen. Community, wie beispielsweise die Facebookgruppe, war für mich von Anfang an ein riesiger Bestandteil. Auch, um einen geschützten Raum zu bieten. Den Gedanken, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen, fand ich von Anfang an eine sehr schöne Vorstellung.

GM: Wie viele Frauen sind Teil der Community?

NW: In der Facebookgruppe sind wir, glaube ich, ungefähr 130.000 Frauen.

GM: Gab es in letzter Zeit neue Produkte von Madame Moneypenny?

NW: Ich habe eher Produkte vom Markt genommen und die Produktpalette verkleinert. Stichwort: Fokus. Im Interview mit OMR habe ich noch von Online-Kursen geredet, die gibt es nicht mehr. Momentan verkaufen wir ausschließlich das Taschenbuch und das 8-Wochen-Mentoring-Programm, das auch eine Online-Kurs-Komponente hat, aber eher als Mentoring aufgebaut ist. Es gibt mehr Guidance, die Teilnehmerinnen werden mehr an die Hand genommen und es gibt die Community. Man hangelt sich mit anderen Teilnehmerinnen von Woche zu Woche. Es gibt 5 Coaches zu den Themen Finanzen, Versicherungen und Mindset. Es geht wirklich darum, die Frauen von A nach B zu bekommen, anstatt Infoprodukte zu verkaufen und sie damit alleine zu lassen.

Das Wissen alleine hat nicht mehr denselben Wert wie noch vor ein paar Jahren. Was heute zählt, ist die Umsetzung. Damit haben viele Menschen gerade beim Thema Finanzen Schwierigkeiten.

GM: Hat sich das geändert? Hast du früher gesagt, dass man es selber verstehen muss und heute, dass man es selber anpacken muss?

NW: Absolut! Da bin ich wohl zu sehr von mir selbst ausgegangen. Ich habe mir Finanzwissen angeeignet, indem ich Bücher gelesen und gemacht habe, was drin steht. Klar, vielleicht habe ich auch einmal ein Seminar besucht, aber kein sehr strukturiertes Coaching-Programm. Mein Weg war sicherlich nicht der einfachste, schnellste und effizienteste. Das lag vielleicht auch daran, dass es kein anderes Angebot gab.

An den Zahlen des Online-Kurses sah ich beispielsweise, dass ihn viele nicht zu Ende machten. Mir wurde dann bewusst, dass die Guidance fehlt. Bei einem Online-Kurs mit lebenslangem Zugriff ist es leicht, das Umsetzen auf später zu verschieben. Beim Mentoring ist das anders. Du startest, hast 8 Wochen Zeit zur Umsetzung und kannst danach einen Haken an das Thema machen. Das ist der eigentliche Wert daran.

GM: Kannst du uns einen Einblick in die Inhalte des Mentorings geben? Es geht ja nicht nur darum, einen ETF-Sparplan einzurichten, sondern auch um Themen wie Finanzen in der Partnerschaft oder Investition in einen selbst. Gerade diese Investition in einen selbst trägt dazu bei, dass man unabhängig ist.

NW: Was wir bei Madame Moneypenny anders machen, ist, dass wir einen großen Teil Persönlichkeitsentwicklung dabei haben. Einen ETF-Sparplan aufzusetzen, ist erstmal kein Hexenwerk.

Es geht aber eigentlich um viel mehr, nämlich um Lebensgestaltung:

– Wie möchte ich mein Leben gestalten?

– Wie möchte ich arbeiten?

– Was sind meine Ziele im Leben?

Letztendlich ist Geld nur ein Mittel zum Zweck, um mir das Leben zu finanzieren, das ich gerne hätte. Gerade für Frauen geht es darum, die Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen: sich aktiv zu überlegen, wie ihr Leben aussehen soll und wie sie es gestalten wollen, anstatt einfach das zu machen, was ihnen vorgesetzt wird (Kinder kriegen, Teilzeit oder gar nicht mehr arbeiten). Ein sehr feministisches Thema also.

Da landet man natürlich irgendwann beim Geld und genau das verknüpfen wir im Mentoring eng miteinander. Der ETF-Sparplan ist nur erfüllend, wenn er auf mein Ziel einzahlt und mir das Leben finanziert, das ich gerne hätte. Dafür muss ich aber wissen, wie dieses Leben aussehen soll.

Und klar ist: Ich muss erstmal in mich selber investieren, um dann später das herauszubekommen, was ich gerne hätte (das Unternehmen, die Gehaltserhöhung, früher in Rente zu gehen).

GM: Spielen für die Frauen, nachhaltige Anlagen eine Rolle?

NW: Absolut. Das ist ein großes Thema. Mittlerweile gibt es immer mehr Produkte in diese Richtung, auch im ETF- und Fondsbereich.

GM: Gibt es eine Faustregel oder hast du einen Tipp, worauf man bei nachhaltigen Anlagen achten sollte?

NW: Es gibt gewisse Kriterien. Nachhaltige ETFs erkennt man zum Beispiel daran, dass ein SRI hinten dran hängt.

GM: Oder ESG.

NW: Genau.

GM: Hier noch einmal kurz zur Erklärung, was ein ETF ist. Kannst du Beispiele nennen, warum Frauen zu dir ins Mentoring kommen und wie ihre Rückmeldung nach den 8 Wochen ist?

NW: Das sind tatsächlich ganz unterschiedliche Frauen und Geschichten. Die jüngste Teilnehmerin bisher war 21. Die Jüngsten sind mir die Liebsten, einfach, weil sie noch so viel Zeit haben und dementsprechend mehr Risiko eingehen können. Sie haben noch keine Verträge, die wieder aufgelöst werden müssen und sind auch noch nicht so verkorkst in ihrer Geldwelt. Sie sind im ersten Job oder in der Ausbildung, verdienen ihr erstes Geld und wollen sich von Anfang an richtig um ihre Finanzen kümmern. Auf der anderen Seite gibt es Frauen, bei denen das Thema Finanzen durch Krisen wie Scheidungen oder Todesfälle plötzlich sehr akut wird. Sie haben das Thema oft jahrelang vor sich her geschoben, müssen sich jetzt aber darum kümmern. Zum Beispiel, weil der Mann, auf den sie sich in den letzten Jahren verlassen haben, nicht mehr da ist. Oft sind Kinder mit ihm Spiel und teilweise müssen diese Frauen dann sogar aus dem gemeinsamen Haus ausziehen.

Viele Teilnehmerinnen sind auch Erbinnen. Das ist ein super emotionales Thema. Da sitzt dann die ganze Familie mit am Tisch, wenn es darum geht, was jetzt mit den 150.000 Euro gemacht werden soll. Hier spielt das Thema Mindset eine große Rolle. Denn es ist nicht einfach nur Geld, sondern da hängt emotional ganz viel dran. Viele Frauen kommen mit dem Mindset rein: Ich habe das Geld gar nicht verdient, ich habe nichts dafür gemacht. Ich bin es nicht Wert, so viel Geld zu haben.

GM: Ist das ein Phänomen, das man häufiger bei Frauen als bei Männern bemerkt?

NW: Dazu habe ich keine Daten. Vielleicht gehen Männer mit mehr Selbstverständlichkeit an so etwas heran. Beim Thema Erbe geht es also darum, was frau mit dem Geld machen soll. Wie sie es schafft,  Finanzentscheidungen zu treffen, die sich mit sich selbst vereinbaren kann. Schließlich  ist das Anlegen an der Börse immer mit  einem Risiko verbunden. Das ist Mindsetarbeit.

Dann gibt es Selbstständige, die es entweder schon ein paar Jahre sind oder kurz vor der Selbstständigkeit stehen. Die ihre privaten Finanzen sortieren wollen, um ihre Selbstständigkeit solide darauf aufzubauen.

Natürlich gibt es auch Angestellte in allen möglichen Facetten. Altersmäßig ist der Großteil der Teilnehmerinnen zwischen Anfang 30 und Mitte 40.

Was alle mit nach Hause nehmen, ist das Finanz Know-How. Hierzu machen wir viele Übungen und gehen auch direkt in die Umsetzung. Jede Frau hat ihren Finanzplan für die nächsten x Jahre. Sie haben eine Strategie entwickelt, ihr Risiko bestimmt, eine Portfoliostruktur aufgesetzt, ihre Produkte ausgesucht und aufs Knöpfchen gedrückt.

Aber: Wenn ich einmal pro Woche nach Feedback frage, ist das alles nebensächlich. 

Womit die Frauen eigentlich nach Hause gehen, ist ein bestimmtes Gefühl:

– Ein anderer Selbstwert,

– Eine andere Einstellung zu Geld

– Eine andere Einstellung zu sich selbst

– In der Beziehung wieder auf Augenhöhe zu sein

– Nochmal einen Karriereschritt gemacht zu haben.

Sehr viele Frauen kommen als Angestellte ins Mentoring und verlassen es als Selbstständige, sie kündigen oder machen in anderen Lebensbereichen große Schritte.

Denn durchs Mentoring bekommen sie einen Selbstbewusstseins-Boost – auch durch die Community natürlich – und die Mindset-Arbeit, die wir machen.

Eine Teilnehmerin letztens war sehr lustig. Sie sagte: Natürlich werde ich Millionärin – unter 1,5 Millionen mache ich hier gar nichts mehr.

Eine andere gründete ihr Business während des Mentorings. Im letzten Call erkannte ich sie kaum wieder. Zu Beginn saß sie immer auf einem dunklen Sofa mit halb stabilem Wlan und schaute nie richtig in die Kamera. Beim letzten Call kroch sie praktisch in die Kamera und hatte stabiles Internet. Sie wirkte viel aufgeschlossener und saß auch nicht mehr auf dem dunklen Sofa.

Welchen ETF die Frauen auswählen, ist also nebensächlich. Es geht um die ganzheitliche Entwicklung anhand des Geldthemas.

GM: Obwohl das Thema Female Empowerment und Emanzipation in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt ist und unsere Gesellschaft sensibler für das Thema geworden ist, hat es mich bei der Vorbereitung auf den Podcast überrascht, in wie vielen verschiedenen Dimensionen bei dem Thema Frauen und Finanzen immer noch eine Ungleichheit herrscht. Wie sehr eine Domäne, die auch eine Machtquelle ist, immer noch von so stark von Männern beherrscht wird. Kannst du das soziologisch ein wenig beleuchten?

NW: Mir fällt da ein konkretes Beispiel von einer jungen Frau ein (Anfang 30, verheiratet mit 2 Kindern). Ihr Mann arbeitete in der IT und verdiente gut. Er teilte ihr ein Haushaltsgeld zu. Sie hatte eine eigene EC-Karte, die aber auf sein Konto lief. Irgendwann wollte er die EC-Karte dann zurück und machte sich aus dem Staub. Sie stand plötzlich alleine da mit all den Ausgaben und ohne eigenes Geld.

Natürlich ist das ein ganz großes Machtinstrument. Das fängt schon beim Konto an, das nur auf den Namen des Mannes läuft. Die Frau hat vielleicht eine Vollmacht, die aber jederzeit widerrufen werden kann. Deswegen ist die Basis, dass jede Frau ein Konto hat, das auf ihren Namen läuft. Denn sonst hat sie de facto nichts. Und natürlich ist das ein reines Machtinstrument.

Das ist auch ein Generationssache. Ich glaube, unsere Generation muss den großen Bruch wagen. So ist beispielsweise der Unterschied zwischen meinen Großeltern und Eltern vorhanden, aber er ist nicht so krass einschneidend. Ich hoffe, dass in meiner Generation eine echte Zäsur passiert.

GM: Es sind zum Großteil immer noch die Frauen, die im Alter in Armut leben müssen, richtig?

NW: Ganz genau. Es gab mal eine schöne Überschrift: Altersarmut ist weiblich. Genauso ist es. Meine Lieblingsstatistik besagt, dass 75% der heute 35-55-jährigen Frauen in Altersarmut landen werden. Altersarmut wird dabei definiert als Einkommen unter dem aktuellen Hartz 4 Niveau. Das sind aktuell ungefähr 400 Euro. Und diese 75% betreffen übrigens auch die Mittelschicht.

Wieviel Geld wirklich notwendig ist, um sich seine eigene Rente zu bauen, wissen die wenigsten. Mit 30.000 Euro auf dem Girokonto kommt man da nicht weit.

Wenn eine der Frauen in den Gesprächen sagt, sie habe 30.000 Euro für die Rente gespart und ich nach den Jahresausgaben frage, die dann bei 40.000 Euro liegen, gibt es regelmäßig AHA-Momente.

Vielen ist nicht klar, dass mehrere Hunderttausend Euro, wenn nicht sogar die Million an Vermögen vorhanden sein müssen. Deswegen sage ich immer: Je früher man anfängt, desto besser.

Die verschiedenen Gaps, wie Gender Pay Gap oder Gender Care Gap münden alle in der Gender Pension Gap. Schaut man sich das Einkommen über das ganze Leben an, verdienen Frauen ca. 500.000 Euro weniger als Männer. Der Mann verdient also im Laufe seines Lebens ein paar Hunderttausend Euro mehr.

GM: Auch weil er eine längere Erwerbszeit hat. Wenn eine Frau ein Kind bekommt, nimmt sie eine Auszeit. Selbst wenn sie nicht lange zu Hause bleibt, so sind es doch einige Monate nach der Geburt.

NW: Dann kommt schnell Teilzeit und „Ach du brauchst doch gar nicht arbeiten.“ Oder das Ehegattensplitting. Frei nach dem Motto: Dein Gehalt wird sowieso wegrationalisiert, bleib doch zu Hause. So wird das natürlich auch incentiviert. Emotional und zeittechnisch macht das Sinn, aber finanziell ist das der Super-Gau.

GM: Das ist aus Sicht der Politik das Perfide. Dass der Staat durch Fehlanreize diese Ungleichheiten produziert und dann so etwas wie die Mütterrente hervorbringt. Hier bekommen Frauen, die mit den Kindern zu Hause geblieben sind, 200 Euro pro Monat extra als Dank für ihren Dienst an der Gesellschaft. Das ist das Gegenteil einer gerechten und nachhaltigen Politik, die gerade wenn es um Rente geht, zukunftsgerichtet sein sollte. Das komplette gesetzliche Rentensystem ist in Schieflage. Ganz besonders aus weiblicher Perspektive.

GM: Wie könntest du dir ein Rentensystem vorstellen, das gerechter ist? In Norwegen gibt es beispielsweise einen Staatsfond aus Öleinnahmen, der die Altersvorsorge der Menschen finanziert.

NW: Der Ansatzpunkt sind für mich die eben genannten Gaps. Ohne sie wäre schon viel gegen weibliche Altersarmut getan. Da wird ja auch schon einiges gemacht, da sind wir hoffentlich auf dem richtigen Weg. Das Ehegattensplitting ist mein absoluter Hassfeind. Das ist eine Incentivierung in die komplett falsche Richtung, aber seit Jahren traut sich keine Regierung daran etwas zu rütteln.

Wie es politisch konkret aussehen kann, weiß ich nicht. Was meiner Meinung nach verheerend wäre, wäre diese wenigen Incentives, die wir haben zum Beispiel durch eine höhere Besteuerung unattraktiver zu machen.

Auf der Makroebene leben wir in einem System, das wir durch unsere Wählerstimmen beeinflussen können. Letztendlich muss ich als Individuum aber schauen, wie ich und meine Familie innerhalb dieses Systems bestehen kann. Damit ich mir diese finanziellen Sorgen nicht machen brauche. Das funktioniert meiner Meinung nach mit Geldanlage. Auf der einen Seite sagt der Staat, ihr müsst privat etwas machen. Wenn er dann gleichzeitig die Steuerkeule bei den Kleinanleger*innen ansetzt, dann würde das vor allem diejenigen treffen, die sich versuchen, sich ihre Rente selbst zu basteln und ein Vermögen aufzubauen. Das wäre insofern bitter, als dass spätestens dann die Sparrate von 200 Euro pro Monat nicht mehr ausreicht.

GM: Für alle, die sich noch nicht um ihre Altersvorsorge gekümmert haben. Kannst du abschließend erklären, warum es in den letzten Jahren viel einfacher und günstiger geworden ist, das zu tun? Stichwort ETF-Sparpläne und günstige Online- Broker.

NW: Wir leben in einer Zeit, in der alle Informationen vorhanden sind. Es ist noch nie so leicht wie heute gewesen, Geld zu verdienen und zu vermehren.

Dafür gibt es mehrere Gründe:

– Die Infrastruktur ist gegeben:

Es ist möglich, innerhalb von 10 Minuten ein Depot bei einem Broker zu eröffnen und mehr oder weniger kostenlos zu investieren. Die Tools und die Technik sind vorhanden.

– Das Wissen ist frei verfügbar:

Fehlt zwar noch vielen, darf frau sich aber gerne aneignen. Das ist kein 5-jähriges Studium, sondern etwas, was in einigen Wochen umsetzbar ist –  wenn man sich wirklich damit beschäftigt.

Die Motivation ist wichtig: Will ich früher in Rente gehen? Will ich eine coole Rente haben? Will ich mir bestimmte Träume leisten können? Es geht darum, über den eigenen Schatten zu springen, sich mit sich selbst zu beschäftigen und zu reflektieren: Wo stehe ich, wo will ich hin? Wenn der eigene Weg einmal skizziert ist,ist es absolut machbar, dass wir alle mit einem Millionendepot in Rente gehen.

GM: Das wäre meine letzte Frage: Kann jeder finanziell unabhängig sein?

NW: Sehr gute Frage. Theoretisch ja, praktisch wahrscheinlich nein. Die Formel ist: Verdienen, sparen, investieren. Je mehr also reinkommt und umso mehr ich sparen kann, desto mehr kann ich investieren. Wenn wir finanzielle Unabhängigkeit als ‚mein Leben aus einer passiven Einkommensquelle bestreiten‘ definieren (Definition einer Rente), wird das wahrscheinlich nicht für jeden funktionieren. Wobei es natürlich auf den Lebensstil ankommt. Je weniger Ausgaben ich habe, umso weniger Geld brauche ich, um mir mein Leben zu finanzieren.

Trotzdem kann jeder etwas dafür tun, dem Ziel der finanziellen Unabhängigkeit näher zu kommen.

Gedanken wie: Wenn ich das sowieso nicht schaffe, muss ich auch gar nicht damit anfangen, sind Quatsch. Was ist die Alternative? Jetzt das Geld auszugeben und zu hoffen, dass es irgendwer richten wird? Das ist zumindest nicht mein Lebensentwurf.

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