Der Punkt, an dem du keine schlechten Entscheidungen mehr treffen kannst (selbst, wenn du wolltest)

Geldanlage ist ein heikles Thema – in welcher Verantwortung siehst du dich deinen Kundinnen und Followerinnen gegenüber?**

Das war eine der spannenden Fragen, die mir Sandra Jungmann im Interview stellte. Was meine Antwort mit dem Titel dieses Blogartikels zu tun hat, welchen Begriff ich mittlerweile lieber verwende als finanzielle ‘Unabhängigkeit’ und warum ein USA-Aufenthalt in der 11. Klasse zu den Schlüsselerlebnissen in meinem Leben gehört, erfährst du hier.

Außerdem: Was ich mir von meinem ersten Ersparten gekauft habe – oder sagen wir … kaufen wollte …

Das Ganze gibt es wie immer auch als Podcast.

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Sandra Jungmann: Nachdem es ja irgendwie dein Job ist, Frauen dazu zu sensibilisieren, sich mit den Finanzen auseinanderzusetzen, würde ich gerne wissen, welche Rolle Geld in deinem Leben spielt.

Natascha: Mir ist Geld sehr wichtig. Zumindest stelle ich fest, dass ich mich besser entspannen kann, seitdem ich mehr Geld habe. Es gibt mir ein Gefühl von Freiheit und Sicherheit zur gleichen Zeit.

Ein Mehr an Geld hilft,

  • in Wirtschaftskrisen, wie der Corona-Krise,
  • in Zeiten mit privaten & beruflichen Herausforderungen
  • wenn große, ungeplante Ausgaben auf mich zukommen,

gelassen zu bleiben.

Da geht es mir deutlich besser als noch vor ein paar Jahren zum Beispiel.

SJ: Wann hast du begonnen, dich intensiver mit dem Thema Finanzen auseinanderzusetzen?

Natascha: Madame Moneypenny ist jetzt ziemlich genau sechs Jahre alt und ich habe erst kurz davor angefangen, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Madame Moneypenny war damals nur ein kleiner Blog, indem ich meine persönliche Reise dokumentiert habe.

Der Anlass war, dass ich mich im Rahmen meiner Unternehmensgründung (wg-suche.de) von meiner Rentenversicherung befreien ließ. Gleichzeitig habe ich mich von einer „kostenlosen“, „unabhängigen“ Finanzberaterin beraten lassen, die mir ein paar Sachen verkauft hat, die dann doch gar nicht so kostenlos waren.

Im Gegenteil. Mit Gebühren und ihrer Provision war diese private Rentenversicherung sehr sehr teuer. Das war für mich der Startschuss zu sagen: Ich kümmere mich selbst drum.

Mein Gedanke: Es kann nicht sein, dass du in diesem wichtigen Bereich so abhängig von Berater*innen bist, die dir erzählen, was du mit deinem Geld machen sollst.

SJ: Und das Wissen hast du dir dann selbst angeeignet?

Natascha: Genau, mich hatte dann echt der Ehrgeiz gepackt und ich wusste, dass der Fehler im System liegen muss.

Deshalb bin ich nicht zurm nächsten Beraterin gerannt, die mir genau das Gleiche in grün verkauft. Mein Ziel war es, Entscheidungen selber vernünftig treffen zu können. Dabei habe ich gemerkt, dass das möglich ist, ohne dafür Finanzen studiert zu haben.

Also habe ich mir das Wissen komplett selbst angeeignet. Das war ehrlicherweise auch der Zeitpunkt, ab dem ich für mich beschlossen habe, mich so gut aufzustellen, dass ich nie eine Versicherung brauchen werde.

SJ: Warum ist es eigentlich so, dass gerade Frauen in Bezug auf Finanzen noch mehr Beratung brauchen als Männer? Oder warum beschäftigen sich Frauen weniger mit mit den eigenen Finanzen?

Natascha: Ich glaube, die Wurzel ist in der Sozialisierung zu suchen. Das Thema Finanzen ist in unserer Gesellschaft eher ein Männerthema, von dem Frauen aktiv oder passiv abgeschirmt werden.

Beispiel: Nachdem meine Oma noch kein eigenes Konto hatte und meine Mutter ein Konto mit meinem Vater teilt, kann man sagen, dass ich die erste in meiner Familie bin, die ein eigenes Konto und ein eigenes Depot hat.

Von daher finde ich es nachvollziehbar, dass Frauen Vorbehalte haben oder sich nicht sofort dran trauen. Oft sind es Glaubenssätze, die ihnen im Weg stehen:

  • Geld ist Männersache.
  • Ich kann das sowieso nicht.
  • Ich bin zu blöd für solche Sachen.
  • Ich bin nicht gut in Mathe.

Ich glaube, dass Frauen gar nicht unbedingt mehr Beratung, sondern einen anderen Zugang zum Thema brauchen.

SJ: Auf welche Glaubenssätze bist du bei dir gestoßen?

Natascha: Da auch ich immer schlecht in Mathe war (und ehrlicherweise nie Lust darauf hatte), hatte auch ich am Anfang Zweifel in mir, ob ich das überhaupt kann.

Ich hatte allerdings einen Glaubenssatz, der mir sehr geholfen hat: „Ich muss es eh alleine machen.“

Dieser Glaubenssatz hat immer mal wieder Nachteile, weil ich dadurch beispielsweise dazu tendiere, alles selbst machen zu wollen, aber in diesem Fall half er mir, trotz innerer Zweifel loszulegen.

SJ: Das stelle ich mir unglaublich aufwendig vor. Wie lange hast du dich mit dem Thema auseinandergesetzt, bis du dich adäquat vorbereitet gefühlt hast, um zu investieren?

Natascha: Bis ich mich da ran getraut habe, hat es bestimmt ein Jahr gedauert.

Das lag auch daran, dass es vor sechs Jahren viele der Angebote, die heute existieren, noch nicht gab. Damals gab es einen YouTube Kanal und gefühlt einen Podcast und ein Buch, das nicht ganz so schlimm war wie die anderen.

Heute gibt es zwar deutlich mehr Informationen – das macht es allerdings nicht einfacher zu verstehen, wo man anfangen soll.

Fragen, die auftauchen, sind: Wonach suche ich überhaupt? Suche ich nach Aktien? Suche ich nach ETFs? Suche ich nach Derivaten? Zertifikaten?

Ich selbst habe während der Phase der Wissensbeschaffung unglaublich viele Umwege gemacht und mir Wissen angeeignet, das ich danach nie wieder brauchte.

Fazit: Sich allein durch diesen Dschungel durchzuschlagen, kostet Zeit.

In unserem Mentoring haben wir deshalb die Vorselektion übernommen, sodass die Frauen nur die wirklich wichtigen Infos bekommen und das Thema in acht Wochen abhaken können.

SJ: Und wann hast du gemerkt, dass in diesem Bereich ein Bedarf besteht und du Frauen dabei helfen kannst, ihr Geld richtig anzulegen?

Natascha: Das habe ich relativ früh gemerkt.

  1. Parallel zu den ersten Blogartikeln habe ich eine Facebookgruppe gegründet (in der heute ca. 120.000 Frauen sind), um zu schauen, wie hoch die Nachfrage ist. Und das Interesse war riesig.
  2. Die Idee einen Blog zu schreiben entstand aus meinem eigenen Leid heraus, dass ich mich als Frau, die ihre Finanzen in die Hand nehmen will, nirgendwo abgeholt fühlte.
  3. Im Gespräch mit Bekannten und Freundinnen stellte ich fest, dass auch die keine wirkliche Ahnung hatten.

Ich hatte also eine Lücke im Markt entdeckt. Aber bis Madame Moneypenny dann richtig durch die Decke ging, dauerte es noch gute drei Jahre.

SJ: Geldanlage ist ein heikles Thema – in welcher Verantwortung siehst du dich deinen Kundinnen und Followerinnen gegenüber?

Meine Verantwortung besteht darin, meinen Mentees das beste Mentoringprodukt an die Hand zu geben, was es da draußen gibt.

Wir bieten keine Beratung an und mich fragt auch keine, welchen ETF sie nehmen soll. Die Frauen bekommen Videos, Vorlagen, Hilfsmittel, Kriterien und Checklisten – alles, was sie brauchen, um einen Finanzplan aufzustellen, der zu ihnen, ihren Zielen und ihrer Risikobereitschaft passt.

Nach 7 Wochen haben sie 7 Aufgaben erledigt und sind an einem Punkt, an dem sie keine schlechte Entscheidung mehr treffen können, selbst, wenn sie wollten. Weil wir die Leitplanken bereits so eng gesteckt haben, dass sie genau wissen, was zu tun ist. Und weil sie ihr Mindset soweit verändert haben, dass sie bereit sind, loszulegen.

SJ: Das macht Lust, selbst loszulegen! Was bedeutet finanzielle Unabhängigkeit für dich?

Natascha: Ich bevorzuge mittlerweile den Begriff Selbstbestimmtheit, weil er besser ausdrückt, worum in meinen Augen wirklich geht: ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Und dafür braucht frau in unserer Gesellschaft nun mal Geld. Wie viel das ist, bestimmt jede*r selbst.

Das Ziel ist es, dass Geld kein Sorgenthema mehr ist. Das ist der Fall, wenn genug da ist, um dir dein Leben entspannt finanzieren zu können. Wenn du weißt, wie du dir Neues beschaffst, wenn mal weniger da ist. Wenn du dir keine Sorgen um deine Kids machen musst und ihnen nicht auf der Tasche liegen musst. Weil du genug hast, um in der Rente gut leben zu können. Und selbst, wenn noch nicht alles perfekt geregelt ist, weißt du, was es zu tun gibt.

Daraus kann man, glaube ich, sehr viel Entspanntheit und Ruhe ziehen, noch öfter selbstbestimmte Entscheidungen treffen und sich viel eher das Leben so gestalten, wie man möchte, als es ohne bestimmte finanzielle Mittel möglich wäre.

SJ: Glaubst du, dass es in unserer Gesellschaft überhaupt möglich ist, sich das Leben nicht von Geld diktieren zu lassen? Wie du richtig sagst, hängt ja sehr viel davon ab, wie viel man davon hat oder eben nicht.

Natascha: Klar, Geld ist die Grundlage unserer Gesellschaft. Es sei denn, man ist Selbstversorger*in und ist in der Lage größtenteils unabhängig zu leben – etwas, was ich im übrigen auch sehr attraktiv finde.

Für die allermeisten von uns allerdings spielt Geld eine entscheidende Rolle. Wie viel man braucht hängt dann aber wieder davon ab, wie man sich sein Leben vorstellt. Wenn man weiß, dass man die Rente in Thailand verbringen will, wo das Leben nur ein Zehntel von dem, was man in Deutschland bezahlen würde, kostet, ist das auch wunderbar.

Hier spielt wieder die Selbstbestimmtheit eine Rolle. Schließlich musst du erstens wissen, was du willst und brauchst und musst es zweitens auch durchziehen.

SJ: Was mich interessiert ist: Welche Frauen erreichst du? Sind das Frauen, die im Einzelhandel an der Kasse sitzen oder Frauen, wie ich, die okay verdienen (klar, das könnte immer mehr sein)?

Natascha: Da ich keine eigene Fernsehshow habe, die dafür sorgt, dass keine*r drum herum kommt, mich zu kennen, braucht es zu allererst einmal ein gewisses Interesse am Thema, um mich zu finden. Zum Beispiel über meinen Podcast, meinen Blog oder bei Instagram und Facebook.

In letzter Konsequenz geht es bei uns schließlich um Geldanlage und Vermögensaufbau und dafür bedarf es einiger Grundlagen:

  • Keine (Konsum-)schulden
  • Ein angesparter Notgroschen
  • Die Möglichkeit monatlich etwas vom Gehalt oder vom Einkommen zur Seite zu legen, um es zu investieren

Natürlich kann das auch die Einzelhandelskauffrau sein, in den meisten Fällen aber handelt es sich tatsächlich um Frauen wie du und ich, die gut verdienen und bestenfalls bereits etwas Erspartes haben, aber trotzdem genauso von Altersarmut bedroht sind.

SJ: Okay, aber frau braucht wahrscheinlich trotzdem einen gewissen gesellschaftlichen Status, oder? Man braucht schließlich eine gewisse Summe, um investieren zu können?

Natascha: Am Anfang reichen 25 € pro Monat. Aber dein Gedanke zeigt, wie verbreitet die Mythen über Investieren, gerade an der Börse, sind.

Du musst nicht reich sein, um in Aktien zu investieren. Du investierst in Aktien, um reich zu werden.

Am Ende ist es eher ein Zeit- als ein Geldthema. Denn natürlich muss frau sich damit beschäftigen und eine gewisse Offenheit und den Ehrgeiz haben, ein Buch darüber zu lesen, ein Coaching dazu zu machen oder sich einfach mal zweihundert Podcastfolgen zum Thema anzuhören.

Ich glaube, es geht gar nicht so sehr darum, wie viel Geld jemand hat, sondern wie viel innere Motivation und Ehrgeiz er oder sie mitbringt, das Thema ein für alle Mal abzuhaken.

Auch  das Frustrationslevel spielt eine Rolle. Im Mentoring haben wir viele Frauen, die einen Punkt erreicht haben, an dem sie sagen: Bis hierhin und nicht weiter. Ich habe jetzt keinen Bock mehr drauf. Ich will nicht mehr von meineme Partnerin (oder von wem auch immer) abhängig sein oder keine Angst mehr haben, meinen Kindern auf der Tasche zu liegen.

SJ: Wie glaubst du hat sich die Corona-Krise auf die Unabhängigkeit von Frauen ausgewirkt?

Natascha: Ich weiß nicht, ob es bereits offizielle Zahlen gibt, aber die ersten Umfragen und auch meine Beobachtungen zeigen, dass sich die Krise sehr negativ ausgewirkt hat.

Viele Familien sind während dieser Zeit in die alten Rollenmuster zurückgefallen: Da er mehr verdient, bleibt sie zu Hause kümmert sie sich um Haus und Hof und die Kids und der Mann geht weiter arbeiten. Das katapultiert uns teilweise zurück in die 50er, 60er, 70er Jahre.

SJ: Warum sind wir da noch nicht weiter?

Natascha: Weil Frauen immer noch schlechter verdienen. Und es darum immer noch naheliegender ist, dass die Frau zu Hause bleibt.

Da es in Deutschland immer noch Ehegattensplitting gibt, lohnt es sich für viele Familien auf dem Papier nicht, wenn die Mutter und Ehefrau arbeiten geht. Weil das alles von den Steuern wegrationalisiert wird.

Da hat der Staat ein Incentive geschaffen, dass sagt: Frau bleibt zu Hause, Mann geh arbeiten. Diese Strukturen sind in unserem Gesetz und natürlich auch in unseren Köpfen fest verankert.

In einer Krisensituation ist es da nur logisch, dass der erste Sicherheitsgedanke ist, dass derdie Partnerin, der*die mehr verdient, weiter arbeiten geht. Was soll man auch anderes machen in einer solchen Situation?

Was das aber zeigt, ist dass die Ungleichheit schon viel weiter vorne beginnt. Nämlich bei der Beantwortung der Frage vor fünf Jahren, wer sich um die Kinder kümmert, ob und wenn ja, wer in Teilzeit arbeitet. Und der Frage heute, ob das so hätte sein müssen?

SJ: Was ist die Lösung?

Natascha: Kontinuierliche Arbeit auf allen Ebenen. Ich glaube, es ist ein wenig viel verlangt, dass ich von heute auf morgen alles ändert.

Grundsätzlich gibt es aber ein paar Dinge, die sich verändern dürfen:

  • Ein weniger patriarchalisches politisches System, das echte Gleichstellung schafft. Zum Beispiel durch modernere Steuergesetze.
  • Aufklärungsarbeit. Vielen Männern und Frauen sind die Ungleichheiten in den eigenen vier Wänden gar nicht bewusst.
  • Mehr finanzielle Bildung für Eltern und Kinder, damit ein entspannter und cleverer Umgang mit Geld vorgelebt werden kann.

Jede Generation tastet sich ein Stückchen mehr an einen Idealzustand heran und die nächste Generation, die bereits wesentlich emanzipierter und feministischer aufwächst, wird hoffentlich machen.

SJ: Wie war das bei dir zu Hause? Wie hast du als Kind und als Jugendliche die Frauen in deinem Umfeld wahrgenommen? Wie bist du aufgewachsen?

Natascha: Ich hatte definitiv starke Frauen in meiner Familie.

Meine Oma beispielsweise entschied sich in den 70er Jahren dazu, sich von meinem Opa scheiden zu lassen. Etwas, was man damals einfach nicht machte. Sie war für mich immer ein cooles Vorbild, weil sie einfach ihr Ding machte.

Und auch wenn es bei uns zu Hause die klassische Rollenverteilung gab (Mama arbeitet in Teilzeit, Papa macht Karriere), hat auch meine Mutter immer versucht, so früh wie möglich wieder zu arbeiten.

Auch insgesamt haben mich meine Eltern gefördert, in dem sie mich viel ausprobieren ließen und mir beibrachten, die Dinge nicht einfach so zu akzeptieren, wie sie waren. So find ich zum Beispiel an, Fußball zu spielen, als es noch gar keine Mädchenmannschaft gab.

SJ: Welche Erinnerungen hast daran als einziges Mädchen in einer Jungenmannschaft zu spielen?

Natascha: Ich habe sehr gemischte Erinnerungen daran. Zum einen sehr positive, weil ich den Sport einfach sehr geliebt habe. Ich wollte zu der Zeit nichts anderes als Fußball spielen.

Zum anderen erinnere ich mich daran, als Mädchen sehr herauszustechen. Das „Problem“ war, dass ich sehr, sehr, sehr, sehr gut war. Das freute zwar den Trainer, aber die Eltern der Jungs, fragten immer häufiger, warum das Mädchen spielt und ihr Junge nicht.

Ich habe also schon früh mitbekommen, dass etwas anders ist und ich nicht so akzeptiert werde. Das habe ich versucht über meine Leistung, die definitiv da war, wett zu machen, aber so richtig schön war das nicht.

Der leichteste Weg wäre gewesen etwas anderes zu machen. Schließlich spielte ich parallel dazu Tennis und ging regelmäßig ins Schwimmtraining.

Als meine Mutter mich dann bat, mich für eine Sportart zu entscheiden (weil sie keine Lust hatte, mich 5 mal die Woche zu verschiedenen Trainings zu fahren), entschied ich mich für den schwerer Weg – das Fussballtraining.

Weil ich aber so Lust auf die Sache hatte, hatte ich auch keine Lust, mich davon unterkriegen zu lassen.

SJ: War das auch später dann noch so, dass du irgendwie tendenziell den schwierigeren Weg genommen hast?

Natascha: Ich glaube nicht, dass ich mir bewusst den schwierigeren Weg suche. Vielmehr habe ich immer geschaut, worauf habe ich Lust, was liegt mir und was will ich unbedingt machen will. Sobald das klar war, habe ich mich vielleicht weniger als andere von Konventionen unterkriegen lassen.

Ich würde auch sagen, dass danach entschieden habe, wo das größere Wachstumspotenzial liegt. Ein Unternehmen zu gründen ist beispielsweise definitiv der schwierigere Weg, gleichzeitig aber auch der herausforderndere, der spannendere und sich lohnendere Weg.

Deshalb kann man schon sagen, dass sich das in zwei, drei großen Lebensbereichen widerspiegelt.

SJ: Was waren Schlüsselmomente in deinem Leben?

Natascha: Ein großes  Schlüsselerlebnis war mein Auslandsjahr in der 11. Klasse in Missouri.

Dort kannte mich keiner und ich konnte sein, wer ich wollte. Es gab keine Stempel oder Ideen (auch meine) davon, wie Natascha eigentlich ist. Vorher hatte ich immer mehr gemerkt, dass mein Freundeskreis, die coolen Kids, nicht wirklich aus den Menschen bestand, die ich meine Freund*innen nennen wollte.

In den USA habe ich mir, auch wieder über den Sport, meine Leute gesucht, die ich dann auch wirklich mochte. Und die Auswahl war irgendwie komplett anders als in Deutschland.

Danach hat sich mein kompletter Freundeskreis geändert. Ein sehr einschneidendes und befreiendes Erlebnis für mich.

SJ: Gab es noch weitere prägende Momente?

Natascha: Ich glaube, das war wirklich ein sehr entscheidendes Erlebnis. Ansonsten bin ich glücklicherweise bisher von Schicksalsschlägen weitestgehend verschont geblieben.

SJ: Das heißt, du bist auch noch nie so wirklich gescheitert?

Natascha: Definiere gescheitert. Gerade im Business gab es natürlich immer mal wieder die ein oder andere sehr schwierige Situation. Zum Beispiel bei meinem ersten Unternehmen, wg-suche.de, das ja durch Investoren finanziert war, gab es alle zwei bis drei Jahre mal die Ansage: Das wars dann, ihr kriegt kein weiteres Geld.

Nicht sehr cool, wenn Gehälter zu bezahlen sind und das Unternehmen davon abhängt.

SJ: Was macht das mit einem? Bist du jemand, der Vertrauen ins Leben hat und sich denkt: Es wird schon alles gut werden?

Natascha: Heute habe ich ein deutlich größeres Vertrauen ins Leben und auch in meine Fähigkeiten.

Mit Mitte 20 aber hatte ich das definitiv noch nicht. Ich war gerade mal zwei Jahre überhaupt in dem Job angestellt, bevor ich meinen Job gekündigt habe, um ein eigenen Unternehmen zu gründen.

Damals hatte ich weder eine Ahnung vom Leben, noch von mir, noch von Business oder von Software. Und es gab sehr viele Momente, wo es wesentlich leichter gewesen wäre zu sagen: „Komm, wir lassen das“.

Das Gute war, dass wir zu zweit ein ganz gutes Team waren. Immer wenn einer mal down war, gab es den anderen der sagte: Komm, eine Runde drehen wir noch. Das kann jetzt noch nicht das Ende gewesen sein. Wir haben also das Happy End auch sehr erzwungen.

Am Ende ist aber genau das, was erfolgreiche Unternehmer*innen immer wieder sagen: Eigentlich geht es nur ums Durchhalten. Ums Weitermachen, wenn andere sagen: Fuck that Shit, da habe ich jetzt keinen Bock mehr drauf.

Auch wenn mich die Aufs und Abs damals stark mitgenommen haben, war ich nie am Boden zerstört oder extrem verzweifelt. Ich glaube, ich habe schnell gelernt, dass doch immer irgendwo die nächste Tür aufgeht und man es schlussendlich doch immer hinbekommt.

SJ: Heute bist du erfolgreiche Unternehmerin. Es heißt ja oft, dass Frauen auf dem Weg zur Spitze, ihre weiblichen Fähigkeiten abgesprochen werden, weil es heißt, dass Frauen mehr wie Männer agieren müssten, um es nach oben zu schaffen. Wie siehst du das?

Natascha: Da ich mein eigenes Unternehmen aufgebaut habe, habe ich natürlich nur begrenzte Erfahrungswerte. Ich muss niemandem in den Allerwertesten kriechen.

Das war keine bewusste Entscheidung. Ich wollte also nicht „aus dem Patriarchat ausbrechen und es alles selber machen. Dass mein Weg ungewöhnlich ist, ist mir erst dann im Laufe der Zeit bewusst geworden, als mir immer häufiger die Frage gestellt wurde, wie das als erfolgreiche Frau eigentlich so ist.

Das Schöne an so einer Selbstständigkeit oder dem Unternehmertum ist auch, dass es dem Markt ziemlich egal ist, wer du bist. Entweder du hast was Gutes anzubieten oder halt nicht. Entweder die Leute bezahlen dafür Geld oder nicht. Entweder du hast da einen Need getroffen oder halt nicht.

Ob du rote Haare hast oder 1:65m und 1:50m bist interessiert am Ende niemanden.

Der einzige Moment, wo ich als Frau Nachteile hätte erleben können, war auf Investorensuche. Da ich aber auch dort einen Mann mit dabei hatte, weiß ich ehrlicherweise nicht, ob es mit einem reinen Frauenteam schwerer gewesen wäre.

Dafür gibt es ja aber genug Statistiken, die belegen, dass Frauen weniger häufig Geld bekommen und wenn, dann auch noch weniger. Und auch in einer klassischen Corporate Karriere kann ich mir gut vorstellen, dass Männer bevorzugt werden.

Wenn die Pinguine die nächsten Pinguine einstellen, dann ist vielleicht mal eine mit einem Röckchen dabei, die aber eigentlich auch ein Pinguin ist.

Umso wichtiger ist es, dass wir auch da die Strukturen verändern. Weg von der Bro-Kultur hinzu mehr Frauen (und Männern) mit unterschiedlichen Charakteren in Führungspositionen, die weitere Frauen hochzuziehen. So bringen wir mehr Diversität in die Führungsetage.

SJ: Was tust du dafür? Wie viele Frauen arbeiten bei dir im Unternehmen?

Momentan haben wir bei den Festangestellten eine 100% Frauenquote, von Geschäftsführung bis zu Junior Social Media Managerin. (Stand 2021, mittlerweile haben wir auch Männer im Team). Das sage ich mit ein bisschen Stolz, gleichzeitig aber in vollem Bewusstsein, dass das ebenfalls nicht gut für die Diversity ist. Deshalb sind wirklich auf der Suche nach Männern.

SJ: Wie gut bist du eigentlich darin „Nein“ zu sagen?

Natascha: Das kommt immer darauf an, wer fragt. 😉 Im privaten Bereich bin ich da noch nicht so gut, bin mir aber auch nicht sicher, ob ich darin besser werden will. Ich habe eine Tendenz mich zu kümmern und mache das auch gerne. Ich bin schließlich auch ein Mensch mit Gefühlen.

Das Bild von „Madame Moneypenny“, die klar auf den Punkt kommuniziert und immer mal wieder kleine Arschtritte verteilt, ist nur eine Seite von mir. Aber das ist völlig in Ordnung und vielleicht auch ein bisschen so gewünscht.

Grundsätzlich glaube ich, das „Nein sagen“ eine sehr, sehr wichtige Fähigkeit ist. Gerade im geschäftlichen Kontext habe ich hier in den letzten Jahren einen Riesensprung gemacht.

Wenn heute irgendwelche Anfragen reinkommen, sei Interviews oder TV Sendungen oder „Kannst mal dies, kannst du mal das“, sagen wir einen Großteil ab.  Denn natürlich könnte ich das theoretisch alles machen, aber dann mache ich den ganzen Tag nichts anderes.

Förderlich dafür, dass ich mittlerweile sehr gerne „Nein“ sage ist auch, dass ich es mir leisten kann.

Und dass die Erfahrung zeigt, dass „Nein“ sagen belohnt wird.

Ich habe „Nein“ gesagt und niemand ist gestorben.

Ich habe „Nein“ gesagt und konnte deshalb zu etwas anderem „Ja“ sagen.

Ich habe „Nein“ gesagt und habe am Ende mehr und nicht weniger Geld verdient.

Ich habe „Nein“ gesagt und dadurch eine coole neue Person kennengelernt.

SJ: Zum Abschluss möchte ich noch einen kurzen Zeitsprung machen. Weißt du noch, was du dir von deinem ersten Ersparten gekauft hast?

Natascha: Das ist eigentlich eine eher traurige Geschichte. Auch als Kind war ich schon ein riesen Fan von Borussia Dortmund. Deshalb hatte ich monatelang mein Taschengeld gespart, um mir eine BVB Kappe in gelb mit dem schwarzen Emblem vorne drauf zu kaufen.

Als der große Tag dann gekommen war und ich das Geld zusammen hatte, musste enttäuscht feststellen, dass sie einfach viel zu groß für meinen kleinen Kopf war. Da war die Trauer natürlich sehr groß.

Ich erinnere mich aber daran, dass ich mir mit meinem ersten richtig verdienten Geld durch einen Nebenjob eine CD gekauft habe. Ich glaube von Run DMC oder irgendsowas super Cooles.

SJ: War Geld ein Thema bei euch zu Hause? Also zum Beispiel wie du gerade beschreibst: Sparen ist gut, denn dann kannst du dir davon etwas kaufen?

Natascha: Zumindest hatten meine Eltern klare Regeln, was sie uns finanzieren und was nicht. Alles, was grundsätzlich zum Leben dazu gehört, Wohnen, Essen, Schulsachen, usw, haben sie bezahlt.

Und auch Spielsachen und Kleidung wurden bis zu einem gewissen Maß finanziert. Aber sobald es um Luxusgüter ging, also Dinge, die nicht notwendig waren, musste ich selbst ran.

Dazu gehörte eben zum Beispiel die BVB Kappe, aber auch die Buffaloschuhe, die in den 90er Jahren unverzichtbar waren oder auch die 5. Markenjeans.

SJ: Weil du gerade das Wort Luxusgüter verwendest – ich habe gelesen, dass du genau 4 Pullover im Schrank hast.

Ich habe irgendwann gemerkt, dass es für mich stimmiger ist, nicht so viel zu besitzen und mir stattdessen eher die Frage zu stellen, was mir reicht. Wenn ich heute daran denke, was für Klamottenberge ich hatte oder wie ich mir von meinem ersten richtigen Angestelltenjob, ein Konsumgut nach dem nächsten gekauft habe, staune ich.

Heute habe ich eine andere Vorstellung von Luxus.

Luxus ist für mich:

  • Qualitativ hochwertiges Essen
  • Coachings
  • Therapie
  • Personal Trainer
  • Geigenunterricht
  • Komfort
  • Ein schönes Hotel
  • Urlaube

Also eher Erlebnisse oder Investition in mich selbst, in meine Gesundheit und Weiterbildung. Für diese Investitionen habe ich auch de facto kein Ausgabenlimit gesetzt.

SJ: Zum Abschluss würde ich dich bitten, folgende Sätze zu vervollständigen:

  1. Diese Eigenschaft hatte ich vor 10 Jahren noch nicht …

Natascha: Selbstreflektion in dem Maße, wie ich sie heute habe.

2. Hätte ich Madame Moneypenny nicht gegründet, würde ich …

Natascha: … wahrscheinlich etwas anderes gegründet haben.

3. Meinen 16-Jährigen ich würde ich heute raten …

Natascha: … eine bessere Balance zwischen Entspannung, Loslassen und gleichzeitig Ehrgeiz und ‘Sachen machen’ zu finden.

4. Wäre ich Bundeskanzlerin, würde ich …

Natascha: … mich sehr stark für ein deutlich feministischeres Deutschland einsetzen. Auf allen Ebenen.

5. Diesen Satz hat mir meine Mutter immer gesagt …

Natascha: … wenn du es nicht kannst, dann lernst du es.

6. Das finde ich richtig gut an mir …

Natascha: Ich glaube meine Rationalität & mein Durchhaltevermögen. Und zu wissen, dass ich im Grunde nichts weiß und nichts kann & noch ganz, ganz viel lernen darf.

7. Und das finde ich weniger gut …

Natascha: … dass ich Dinge zu lange mit mir alleine rumschleppen. Und mein Kopf noch zu häufig die Oberhand hat. Working on it.

8. Das glaubt niemand von mir …

Natascha: … dass ich sehr schnell weine.

Relevante Links:

Madame Moneypenny Mentoring Programm