Moneytalk “Börsen und Psychologie im Crash”

Bildet die Börse nicht das Geschehen der Wirtschaft ab? Wie kann es dann sein, dass sich beides so unterschiedlich entwickelt?

Die Antwort liegt in der Frage, was die Börse tatsächlich abbildet: Die Erwartungen tausender Anlegern darüber, was als nächstes passiert.

Über die Psychologie an der Börse mitten im Corona Crash spreche ich in meinem Moneytalk vom 03. Juni 2020 mit Ingo Schröder von maiwerk Finanzpartner. Die wichtigsten Infos findest du im Artikel, oder im dazugehörigen Live-Video und im Podcast.

Gemeinsam haben wir über folgende Themen gesprochen:

Was passiert gerade & warum?
Die Rolle von Emotionen an der Börse.
Psychofalle Börse
6 Denkfehler an der Börse
Was heißt das für mein Risiko? 
Eure Fragen

Den Moneytalk kannst du dir auch als Podcastfolge anhören:

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Kurz vorab: Ingo Schröder ist Honorarberater bei maiwerk Finanzpartner & ausgebildeter Finanzcoach, der sich viel mit den Themen Geld und Psychologie beschäftigt. Was passiert & warum?

Anlegerinnen haben spannende 8-12 Wochen hinter sich. Mit Ausbruch der Pandemie erlebten sie den ‘Corona Crash’, bei dem die Aktienkurse so schnell und heftig sanken, wie nie zuvor. Genauso interessant ist die Tatsache, dass die Kurse mittlerweile bereits wieder steigen, obwohl die Krise ja noch in vollem Gange ist.

Warum ist das so?

Alles lässt sich wieder auf das altbekannte Prinzip von Angebot und Nachfrage zurückführen. Viele Menschen wollten in Panik ihre Aktien abstoßen und trafen auf willige Käufer, die bereit waren, diese für einen jetzt günstigeren Preis (es ist ja schließlich Krise und keiner weiß genau, was passieren wird) zu kaufen.

In der Realität lieferte die Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Zahlen und Fakten, die einen solchen Kurssturz gerechtfertigt hätten. Mittlerweile sind die Quartalszahlen der Unternehmen da. Wir sehen reale Verluste, Anpassungen der Gewinnerwartungen, etc. und die Kurse… steigen.

Wir können also festhalten, dass die Börse selten repräsentiert, was wirklich passiert.

Dazu passend eine kurze Metapher des Börsen Papsts André Kostolany:

“Ein Mann geht auf der Straße spazieren und hat seinen Hund dabei. Wie sich Hunde eben verhalten, läuft dieser vor und kommt wieder zurück zu seinem Herrchen. Dann läuft er wieder vor und kehrt erneut zurück, sobald er erkennt, dass er zu weit gelaufen ist. So geht das die ganze Zeit, bis beide schlussendlich am gleichen Ziel ankommen.

Während der Mann gemütlich einen Kilometer zurückgelegt hat, rennt der Hund wild hin und her. In dieser Metapher stellt der Mann die Wirtschaft und der Hund die Börse dar. Die Börse fährt öfter mal Achterbahn und spiegelt die meiste Zeit nicht eindeutig die Wirtschaft wider.

Die Rolle von Emotionen an der Börse

Börsenkurse sind menschengemacht und dadurch ganz automatisch geprägt von Emotionen.

Die 2 Hauptemotionen:

  1. Panik
  2. Gier

Beide stehen in einem Spannungsverhältnis und sind bestimmt von einer übergeordneten Komponente: unseren Erwartungen. Damit ist die Börse “der effektivste Platz, um Emotionen in Zahlen zu packen”.

Beispiel:  Die Erwartung steigender Kurse, weil ‘das Schlimmste nun überstanden ist’, führt dazu, dass Menschen ein Stück des Kuchens abhaben möchten. Das wird eingepreist. Frei nach dem Motto “sell the rumor, buy the fact”.

Aber Achtung. Die Annahme, dass wir irgendetwas in der Hand haben, ist schlicht und ergreifend falsch. Niemand kann sagen, was tatsächlich passieren wird.

Die Börse besteht aus Tausenden kleinen Zahnrädchen und wir sind nur eines davon. Das nächste Gerücht, die nächste Prognose kann alles ändern.

Mein Buchtipp: ‘Die Kunst, über Geld nachzu­denken*’ ebenfalls von André Kostolany (sollte jeder gelesen haben, der Geld an der Börse an­legt!).

Psychofalle Börse 

MSCR World Index in Krisenzeiten (2008-2009)

Quelle: https://www.maiwerk-finanzpartner.de/

Wie handle ich in Krisenzeiten nun richtig? 

Lasst uns dazu einen Blick auf die Entwicklung des MSCR World Indexes, während der letzten großen Krise im Jahr 2008/2009 werfen. Anhand der Grafik können wir sehr gut verdeutlichen, welche Gefühle und Gedanken wann aufkommen und wie wir im Ernstfall – jetzt – damit umgehen können. 

  • Beginn der Krise: erste Sorge.
    War es die richtige Entscheidung mein Geld an der Börse anzulegen?
  • Weiter fallende Kurse: Angst, die sich in Panik ausweitet.
    Die Ratio ist zwar noch vorhanden, aber die Emotionen nehmen überhand. Es wird eine innerliche Verlustgrenze festgesetzt, bei dem die Reißleine gezogen wird.
  • Erreichen der inneren Verlustgrenze: Kapitulation. Die Aktien werden abgestoßen.
  • Weiter fallende Kurse: Erleichterung/ Selbstbestätigung
    Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
  • Wieder steigende Kurse, bis hin zum Ausgangswert vor der Krise: Zweifel, gefolgt von Reue. “Warum habe ich nur verkauft?”

Die Börse kann eine Achterbahnfahrt sein, muss sie aber nicht. Du entscheidest, ob du deinen Emotionen folgst, oder deiner Strategie von Buy & Hold treu bleibst. 

Denkfehler an der Börse

Wenn du erfolgreich an der Börse sein willst, solltest du diese 6 Denkfehler vermeiden.

  1. FOMO (Fear of missing out)

Gerade in einer Krise, in der die Kurse sinken, stellen sich viele die Frage, ob sie jetzt sofort einsteigen sollten, um maximal zu profitieren.

Wenn du die eben beschriebene Achter­bahn der Emotionen vermeiden willst, solltest du dich erst einmal richtig vorbereiten.

Das heißt:

  1. Schulden abbauen
  2. Notgroschen aufbauen
  3. Wissen aneignen & Strategie festlegen
  4. Risikobereitschaft bestimmen (siehe auch ‘was heißt das für mein Risiko’)
  5. Investieren

In meinen Kursen ist der Kauf von Aktien der 7. und damit allerletzte Schritt. Mach es dir nicht zu bequem und nimm dir die Zeit diese 5 Schritte abzuhaken, sonst wartet ein böses Erwachen.

2. Confirmation Bias / Bestätigungsfehler

Wir Menschen tendieren dazu, Informationen so auszuwählen, dass sie uns in dem bestätigen, was wir sowieso schon glauben. Abhängig von unserem Mindset bewerten und interpretieren wir neue Informationen also sehr unterschiedlich, oder nehmen sogar nur Infos wahr, die zu unserem Weltbild passen.

Beispiel: Du glaubst, Aktien sind nur Zockerei. Du möchtest nichts mit Vermögensaufbau zu tun haben. Aus diesem Grund wirst du die heftig sinkenden Aktienkurse als Bestätigung dieser Annahme sehen, während du die Tatsache, dass die Kurse erwiesenermaßen nach jedem Tief auch wieder steigen, geflissentlich ignorierst.

3. Home-Bias

Das ist die Tendenz von Investoren & Anlegern, Geldanlagen auf dem Heimatmarkt überproportional zu gewichten.

Beispiel: Die Krise nahm Ihren Ursprung in China. Ab sofort möchte ich dort nicht mehr investieren.

Bitte aufpassen: China ist immer noch die 2. größte Wirtschaft der Welt. Bleib also rational. Es macht absolut Sinn, deine Investments breit zu streuen und dich nicht nur auf den Heimatmarkt zu konzentrieren.

4. Hindsight Bias / Rückschaufehler

Bezeichnet den Denkfehler, die Vorhersagbarkeit eines Ereignisses in der Vergangenheit zu überschätzen.

Beispiel: „Ich wusste, dass Amazon so erfolgreich wird!” Wirklich? Warum hast du die Aktien nicht in den 17 Jahren gekauft, in denen die Aktie unter 300€ lag?

In der Rückschau mag vieles leicht erkenn­bar scheinen. Fakt ist aber, dass niemand den Markt vorhersehen kann. Geh davon aus, dass du nichts weißt und folge deiner Anlagestrategie von Buy & Hold

5. Overconfidence Bias

Dies ist die systematische Fehleinschätzung des eigenen Könnens und der eigenen Kompe­tenzen. Wir überschätzen:

  • die eigene, aktuelle Leistung
  • unsere Leistung relativ zur Leistung anderer
  • unser eigenes Wissen (Exaktheit, Aktualität….)

Beispiel 1: Du denkst, du bist besser als der Durchschnitt. Wenn wir alle besser sind als der Durchschnitt der Bevölkerung, wie kommt dann der Durchschnitt zustande?

Beispiel 2: Du hast einen super guten Deal ge­macht und denkst, dass du jetzt genau weißt, wie der Hase läuft. Vergiss nicht: Vor allem an der Börse ist vieles einfach Glück.

6. Herdenverhalten

Eine weitere Börsenweisheit des Börsen Papsts André Kostolany: „Kaufe, wenn die Kanonen donnern”. 
Der Grund für die Heftigkeit des Corona Crashs ist das Denken, dass die Handlung der Masse ein gutes Indiz dafür ist, was jetzt zu tun ist.

Meine Einstellung dazu: Wer blind der Herde folgt, hat keine klare Strategie & wird Geld verlieren. Verhalte dich am besten antizyklisch zur Masse.

Mein Buchtipp: Die Psychologie der Massen* von Gustave Le Bon

Was heißt das für mein Risiko?

Ich sagte bereits, dass es wichtig ist, die eigene Risikobereitschaft anzuschauen, bevor man sein Geld anlegt.

Wie kann man sich dem Thema Risiko richtig widmen? 

Dazu sollte man wissen, dass es 4 unterschiedliche Arten von Risiko gibt, die eine Rolle spielen, wenn man sein individuelles Risikoprofil bestimmen möchte. Diese können in 2 übergeordnete Risikoklassen eingeteilt werden.

  • Finanzmathematische Risiken
  • Finanzpsychologische Risiken

Die 4 Arten von Risiko

Finanzmathematische Risiken sind leicht auszu­rechnen und lassen sich damit rational ermitteln.

  • Risikokapazität
    Fragen, die du dir stellen kannst: Wie groß ist mein Notgroschen? Daraus abgeleitet:
    Wie viel kann ich anlegen, ohne meinen Liquiditätsplan zu gefährden?
  • Risikobedarf 
    Fragen, die du dir stellen kannst: Wie viel Risiko muss ich eingehen, wenn ich Betrag X als meinen Zielbetrag festgesetzt habe und monatlich Betrag Y investieren kann? 

Finanzpsychologische Risiken sind wenig rational und dadurch schwerer zu bestimmen. Sie haben viel damit zu tun Kontrolle zu erlangen und bewusst wahrzunehmen, wie man agiert.

  • Risikowahrnehmung
    Die Wahrnehmung und Bewertung von Risiko verändert sich, je nachdem, wann, wo und in welchem Kontext man gefragt wird, dieses einzu­schätzen. 
    Beispiel: Würdest du die Frage „Wie nimmst du das Risiko wahr, Geld an der Börse zu investieren” heute anders beantworten, als vor 5 Jahren? Höchstwahrscheinlich ja. 
  • Risikobereitschaft
    Wie gut gehst du mit negativen Konsequenzen (Verlusten) und positiven Konsequenzen (Gewinnen) um? Unsere Bereitschaft Risiken einzugehen wird extrem durch unser Umfeld beeinflusst und ist damit Teil unserer Identität.

Geld hat die Macht Emotionen auszulösen, ob du das willst, oder nicht.

Stell dir die Frage: Um wie viel dürfte der Gesamtwert deiner Investitionen sinken, bevor du dich unwohl fühlst?

Beispiel: Anlagewert 50.000 €. Du bist bereit, einen Verlust von max. 33 Prozent, also 19.000 € zu akzeptieren. Ist das auch noch wahr bei einem Anlagewert von 100.000 €, wenn -33 Prozent einen Verlust von 33.000 € bedeuten?

Das Ziel ist es, finanzpsychologische & -mathematische Risiken gleichermaßen anzuerkennenden und einzubeziehen, wenn wir entscheiden, wie viel Risiko wir beim Anlegen eingehen wollen.

Eure Fragen

Wie verhindert man am Ende nicht doch panisch und kopflos zu handeln?

Erst die Hausaufgaben machen, bevor man handelt und investiert. 

Heißt konkret:

  • Schulden abbauen
  • Notgroschen aufbauen
  • Wissen aneignen & Strategie bestimmen
  • Risikobereitschaft festlegen
  • Dann erst kaufen und halten

Wählt außerdem ganz bewusst, welche Infos ihr konsumiert. Das gilt für Aktiennews, eure Depot & allgemeine Nachrichtenkanäle.

Wieso raten Profis zum Verkauf, wenn aussitzen besser ist?

  1. Was verstehst du unter Profi? Stell dir bitte immer die Frage, wer dazu rät und welchen Vorteil er hat, wenn du verkaufst.
  2. Raten sie wirklich zum Verkauf, oder meinen sie nur mehr zu wissen als der Rest? “Ich bin mir zu sicher, dass… “ (siehe Overconfidence Bias)
  3. Experten raten nicht zum Verkauf. 

Wie kann man Verluste begrenzen?

  1. Sei dir des Unterschieds zwischen Verlust und Wertminderung bewusst. Verlust machst du erst, wenn du verkaufst. Eine Wertminderung ist Teil des Spiels. 
  2. Lote für dich aus, welcher Verlust für dich verkraftbar ist (siehe dazu deine individuelle Risikobereitschaft an).
  3. Vergiss nicht, dass bei einer langen Haltedauer der Wert deiner Aktien steigen wird. 
  4. Kaufe nach, wenn die Kurse am Boden sind (wenn du deine Hausaufgaben vorher gemacht hast).

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